Harley Benton Nashville – Hybridgitarre

Ja, ich hab die Harley Benton  Nashville im Juni 2023 neu gekauft, d.h. es gab sie nur noch als B-Ware mit „leichten Gebrauchsspuren“. Also fast neu!

Warum tue ich das?
Harley Benton ist Thomanns Hausmarke für billige China-Gitarren? Oder Harley Benton Gitarren haben ein besonders gutes Preis-Leistungs-Verhältnis? Irgendwo dazwischen, verbirgt sich die Wahrheit und nicht jedes Modell ist gleich: Qualität und Preis variieren von Modell zu Modell wohl stark.

Ich brauchte eine leise Gitarre, lauter als meine unverstärkte Stratocaster. Der Grund dafür wiederum sind neue Nachbarn, die unter mir eingezogen sind: Junge Leute, die sich über den Krach der Alten beschweren – verkehrte Welt, zumindest since the 70ties, when I was young!

Es gibt nicht viele Gitarren in diesem Segment, abgesehen von den zahlreichen Hollowbody-E-Gitarren. Es sollte aber mehr Akustik-Gitarre sein als E-Gitarre. Gefallen hätte mir da die Taylor T5Z, doch preislich ist die gerade „out of range“. Godin ebenso. Es gäbe noch die Fender Acoustasonic-„Player“-Serie zum Nachdenken aber nun erst einmal Harley Benton. Ziel ist eine leise akustische Gitarre, die man  zu jeder Tages Und Nachtzeit spielen kann. Natürlich zu einem moderaten Preis – hier knapp unter 300 Euronen!

Ausgepackt und erster Check: Stimmen und  darauflos spielen. Okay, die Tuner sind markenlos aber mit Macken – erst passiert beim Drehen des Wirbels nichts, dann aber plötzlich zu viel – nur mit Geduld kriegt man es hin. Den Tuner des Bordinstruments kannst du knicken – mal zeigt er was an, mal nichts. Also den Handytuner angeworfen, der funktioniert wenigstens.
So nun stimmt die Stimmung der hybriden Lady. Leider nicht lange. Schon jetzt hege ich den Wunsch nach besseren Mechaniken.
Klanglich kommt unverstärkt recht wenig raus – zum Glück doch etwas mehr als aus meiner Fender – na ja!

Sonstiger Zustand:
Offensichtlich gab es ab Werk kein richtiges Setup: Die Saitenlage oder Action ist recht hoch. Das geht sicherlich besser! Des weiteren sind nicht alle Bünde richtig abgerichtet – 5. und 7. Bund sind etwas zu hoch – dort schnarrt die hohe E-Saite. Die gute Harley muss also gleich auf den Arbeitstisch.
Ausgeführte Arbeiten:
Saiten runter, Hals leicht nachgestellt bis er gerade war. Bünde mit dem „Fretrocker“ (ein Metallstück mit unterschiedlichen Kantenlängen, den man über drei Bünde anlegt. Ist der mittlere zu hoch, dann wackelt das Teil) getestet und 5. und 7. Bundstab mit Filzstift markiert. Den „Fretleveler“ (eine etwas breitere und längere Metall-Feile) ein paarmal drübergezogen. Mit dem Fretrocker überprüft, mit der Crowning-Feile wieder abgerundet und anschließend mit Metallwolle poliert. Saiten wieder drauf und das erste Problem ist gelöst.
Um die Saitenlage einzustellen mussten die Saiten leider wieder runter und die Höhe der Knocheneinlage der Bridge wurde um 1,5 Millimeter  abgeschliffen. Wenn man zu viel wegnimmt braucht man eine neue, also hier lieber Vorsicht walten lassen und ggf. den Vorgang wiederholen. Profis haben eine Formel um auszurechnen, um wie viel sich die E-Saite am 12. Bund absenkt, wenn man den Knochensteg um soundsoviel abraspelt. Ist mir zu kompliziert! Ich probiere solange rum bis es passt!

Unschön scharfkantig waren auch die Ecken des Sattelknochens. Diese wurden auch gleich abgerundet. Bevor ich die Mechaniken austausche werde ich der Nashville wohl noch eine Chance geben und es noch eine Weile mit den originalen probieren.
Das etwas trockene Griffbrett wird nun eingeölt. Ich nehme dafür meist einen fertigen „Fretboard Conditioner“ vom großen T.
Nach zwei Stunden wird das übrige noch stehende Öl abgewischt und neue 11er E-Gitarrensaiten werden montiert.
Die „Action“ ist nun okay – ich gehe da nicht bis an die Grenze und die HB spielt sich sehr schön leicht.
Zeit für den Test mit dem Verstärker – hier einem Marshall AS 50R. Die Möglichkeit am Bordinstrument zwischen dem Stegpiezo und dem Singlecoil-Tonabnehmer hin und her zu blenden funktioniert nur in der Theorie. Es verändert sich was, doch irgendwie ist es wenig und eher alles Zufall.
Dennoch sind die Höhen da, wie man es erwartet und mit dem Singlecoil lässt sich etwas Wärme im Klang erzeugen. Doch es braucht zusätzlich die Klangregelung am Verstärker und dann klingt es unerwartet gut.

Mir reicht das so, denn ich will die Nashville gar nicht als Ersatz für die E-Gitarre verwenden. Wer das möchte wird möglicherweise etwas enttäuscht sein. Doch als rückkopplungsfeste Akustikgitarre mit schmalen Body und leichter Bespielbarkeit kann ich sie mir bei einem Live-Einsatz gut vorstellen.

Fazit:
Ich werde die billige Nashville Hybrid-Gitarre behalten und sie auch live spielen. Dass die Dame „B-Ware“ war sieht man an den Gürtelschnallen-Spuren an der Unterseite. Die zu Fotografieren war nicht ganz einfach. Trotzdem sind sie nicht schön, waren aber immerhin 20 Euro Ersparnis wert.
Ein an Wert steigendes Sammlerobjekt ist die Nashville natürlich nicht, aber nach dem Setup ist sie wirklich gut zu spielen.
Gut aussehen tut sie auch nicht so schlecht und die Diebstahlgefahr im Backstagebereich ist wohl gering. Sollen die Profis mit ihren teuren Gitarren ruhig lächeln über mich und meine Harley Benton. Wer so eine Gitarre kauft, sollte aber gleich die Kosten für ein ordentliches Setup mit einplanen, was den günstigen Preis ganz schön relativieren kann. Oder man bastelt eh gerne rum, so wie ich und macht das selber. Nach einem weiteren Tag mit der HB-Nashville mache ich mich ab sofort auf die Suche nach passenden Mechaniken.
Auf der Rückseite der Gitarre befinden sich zwei Schrauben und sonst nichts. Die halten wohl den Singlecoil-Tonabnehmer – der sich leider auch nicht einstellen lässt. Ich fürchte, dass Arbeiten an den Innereien super pfriemelig sein werden – doch bis jetzt funktioniert ja alles.
Würde ich diese Gitarre empfehlen und wenn ja wem?
Nicht wirklich und nicht jedem – es ist eben ganz schön viel zu tun, bis diese Klampfe Spaß macht. Der niedrige Preis fordert eben Kompromisse, wie das, auch noch schief eingebaute, wenig brauchbare, Bordinstrument, das mangelhafte Setup und die schlechten Mechaniken.
Alternativen gibt es noch von Harley Benton, na klar! Für knapp hundert Euro mehr die HB-Hybrid Steel in grau oder natur! Vielleicht krieg ich die irgendwann in die Finger….

Update:
Habe nun neue Mechaniken von Baton Rouge montiert (die kannte ich von meiner BR – AR81C/ACE). Die drehen gleichmäßig und halten die Stimmung deutlich besser. Dazu mussten neue Löcher gebohrt und die alten mit Wachs verstopft werden. Diese Investition hat sich gelohnt.
Und ja, das Bordinstrument wäre ich auch noch gerne los! Freue mich über Lösungsvorschläge dazu!