Als braver Medienpädagoge kenne ich natürlich den Medienkompetenzrahmen NRW (da finde ich vieles recht gelungen!) und das Medienkompetenzmodell von Dieter Baacke (darauf beruht der Kompetenzrahmen in seiner Grundstruktur). Einer der zentralen Begriffe der Medienpädagogik, nämlich die „Medienkompetenz „, entgleitet mir in letzter Zeit zunehmend. Was bedeutet denn diese Medienkompetenz wirklich und was oder wieviel davon findet sich in der Realität, sprich im Leben, wieder?
Zahlen gibt es solche: der durchschn
ittliche Deutsche blickt 6,5 Stunden täglich auf einen Bildschirm Jugendliche 7 Stunden und mehr. Bekannt ist auch: zuviel führt zu Schlafstörungen, Ängsten, Depressionen verbunden mit Unsicherheit bei Eltern und jede Menge Zoff in der Familie. Das führt wiederum dazu, dass die Therapieplätze für Jugendliche bei weitem nicht mehr ausreichend sind.
In meiner Familie habe ich beobachtet, wie ein mir gut bekannter junger Mann, vor dem Fernsehgerät sitzt, auf dem eine Netflixserie läuft, neben ihm auf dem Sofa liegt das Handy mit aktiven sozialen Medien und in den Händen hält er das Tablet auf dem parallel gespielt wird. Da stellt sich mir die Frage, warum er nicht auch noch seine Earbuds im Ohr hat und darauf Musik hört?
Doch „Warumfragen“ sind selten hilfreich!
Nun, ich bin kein Wissenschaftler und habe auch keine Lust Statistiken zu suchen und zu bemühen um herauszubekommen, ob das die Regel oder die Ausnahme ist und wie das das bei den anderen so läuft. Doch die unerlaubte Social Media Nutzung der unter 13 Jährigen ist wohl Realität, wie man der 2024er KIM-Studie (ha, hat er doch was gelesen) entnehmen kann. Dort findet man auch das hier:
Bedeutung der Medienkompetenz: Angesichts der Risiken (unpassende Inhalte, Cybermobbing, Datenschutz) wird die gezielte Begleitung durch Eltern und Bildungseinrichtungen als entscheidend für den sicheren Umgang mit Medien hervorgehoben.
Sehe ich das richtig: Wären nur alle Kinder und Jugendlichen und Erwachsenen „medienkompetent“, dann würden sie sich selbst regulieren und schützen und alles wäre wieder gut!
Das klingt so ähnlich, wie sich auch das Problem mit der Klimakatastrophe gerade eben n i c h t lösen lässt! Es nützt nichts, wenn nur die Deutschen klimaneutral werden und die meisten anderen Länder nicht. Es ändert auch nichts, wenn ich selbst als Einzelperson versuche meinen ökologischen Fußabdruck von derzeit Schuhgröße 48 auf Größe 42 zu reduzieren! Auch wenn alle Verbraucher, weltweit mitmachen würden, hilft auch das noch nicht entscheidend. Dem Individuum hier die schwere Schuld und Aufgabe zuzuweisen lenkt nur ab! Es ist die Wirtschaft, es sind die Konzerne und Produzenten des Konsumwahnsinns den sie „Wirtschaftswachstum“ nennen und ihre Unterstützer in der Politik . Die könnten und müssten was tun, doch Macht und Geld…..
Zurück zur Medienkompetenz: Wenn unsere Kinder und Jugendlichen und ebenso zahlreiche Erwachsene eine vermeintlich kostenlose, wahrscheinlich süchtig machende, App nutzen, die evtl. lustig ist, oder mehr oder weniger nützlich und hilfreich, dann liefern sie nebenbei den Anbietern kostenlose Informationen über sich, über ihr Alter, Geschlecht, ihr Konsumverhalten, ihre Vorlieben usw. oft bis hin zum geographischen Standort! Dabei werden übrigens gigantische Mengen an Energie verbraucht – siehe oben!
Das perfide dabei ist, dass eine Nichtnutzung gar nicht mehr in Frage kommt, weil die in kurzen Abständen provozierten Dopaminschübe als Belohnung des Gehirns längst in die Abhängigkeit geführt haben. Das ist von den Anbietern gewünscht, bewußt so programmiert und bringt ihnen Kohle über platzierte Werbung und den bereits erwähnten Datenverkauf. Selbst benutzen sie die gesammelten Daten natürlich zur Optimierung ihrer App – hurra!
Nicht die „Selbstoptimierung“ des Individuums durch Medienkompetenz ist also hilfreich, sondern es läge in der Verantwortung vieler Anbieter, die kaum wahrgenommen wird und die oft über Lippenbekenntnisse nicht hinausgeht, hier etwas zu ändern. Ob ihr Geschäftsmodell dann noch funktioniert? Eine Regulierung durch die Politik braucht es zusätzlich, keine Frage!
Medienkompetenz verhindert oder löst also nicht die Probleme die durch Mediennutzung entstehen! Als medienpädagogisches Wunschziel darf sie jedoch gerne erhalten bleiben, sie nützt nicht viel aber sie schadet auch nicht! Medienpädagogische Angebote mit Titeln wie „TikTok kreativ nutzen“ oder ähnliche müssen dagegen dringend hinterfragt werden!
Interessant dazu ist ein Artikel von Joachim Weiner aus dem Jahre 2009, zu finden im Archiv des Deutschlandfunks, und hier verlässt du meine Seite auf eigenes Risiko: <klick>